Ruhe vor dem Sturm

Nach so vielen Sehenswürdigkeiten in den Blue Mountains und in Sydney brauchte ich ein paar Tage mit weniger Input. Südlich von Sydney folgt eine schöne Bucht der anderen, da hat man zum Ausspannen die Qual der Wahl. Meine fiel auf die Batemans Bay, die etwa auf der Höhe von Canberra liegt. Bis dahin kann man wunderbar die Küste von New South Wales entlangcruisen und sich auf dem Weg ein paar weitere schöne Stellen ansehen. Zum Beispiel Hyams Beach in der Jervis Bay. Ob das nun wirklich der weißeste Sand in Australien ist – angeblich noch weißer und feiner als am Whitehaven Beach? Ich weiß es nicht. Sehr hell und pulverig war er aber allemal.

Von Batemans Bay aus sind Depot Beach und Pebbly Beach wiederum schnell erreichbar. Genau die richtigen Orte, um bei einem ausgiebigen Spaziergang über weiße Strände und skurrile Felsformationen die Seele baumeln zu lassen. Kategorie: Traumschön und nichts los. Von Pebbly hatte ich außerdem gelesen, dass dort ernsthaft Kängurus auf den Wellen am Strand surfen sollen. Meine Vorstellung von Beuteltieren in Surfershorts, die lässig mit zwei Krallen grüßen, hat sich aber leider nicht erfüllt. Anscheinend war den Roos ebenfalls nach Chillen zumute, vielleicht hatten sie auch zu viel Sightseeing gemacht. Jedenfalls lagen sie nur faul im Schatten herum. Sehenswert waren beide Strände aber auch so.

Auf der Suche nach einer Zwischenmahlzeit im gleichnamigen Ort Batemans Bay hielt ich auf dem Rückweg am Yachthafen. Ob das Café geöffnet sei, fragte ich jemanden, der so aussah, als gehöre er da hin. War es leider nicht. Fünf Minuten später waren aber drei Dinge geklärt: Wo ich ein geöffnetes Café finde, dass der Bursche Dave hieß und dass ich am nächsten Tag mit ihm segeln gehe. Nun war ich schon sieben Wochen in Australien unterwegs – und trotzdem überraschten mich die Leute immer wieder mit ihrer Vertrauensseligkeit. Ein Segler trifft einen zotteligen Biker aus Übersee zufällig auf dem Parkplatz und lädt ihn gleich auf sein Schiff ein? Ich weiß, wer so was in Deutschland machen würde: keine Sau.

Zugegeben: Auch von meiner Seite war da eine gewisse Gutgläubigkeit im Spiel. Bei Licht betrachtet wusste ich weder etwas über Dave noch über sein Boot. Geschweigen denn, wie gut er damit umgehen konnte. Dass außer uns niemand sonst zum Segeln aus der Bucht fuhr, hätte mir vielleicht auch auffallen können. Wahrscheinlich hatten alle anderen den Wetterbericht genauer gelesen – oder weniger Schneid als Dave. Die Schräglage, in die uns der Sturm brachte, kennen Biker jedenfalls nur von der MotoGP. Auf der einen Seite des Boots hingen unsere Oberkörper weit über Bord, auf der anderen schwappte bereits das Wasser rein. Von dieser Phase unseres Törns gibt es leider keine Fotos, ich war viel zu sehr mit Eigensicherung beschäftigt.

Irgendwann schien auch Dave die Sache nicht mehr geheuer zu sein und er begann, die Segel zu raffen. Während er auf dem Deck rumturnte und ihm die Gischt entgegenspritzte, überlegte ich mir die verschiedenen Szenarien, wie diese Situation ausgehen könnte. Am ungünstigsten erschien mir die, bei der Dave über Bord geht und ich das Boot allein steuern müsste. Genau danach sah es allerdings gerade am ehesten aus. Zum ersten Mal auf dieser Reise schaltete ich vorsichtshalber den Satelliten-Messenger an.

Irgendwie haben wir es dann in den Windschatten einer kleinen Bucht geschafft, wo wir vor Anker gingen. Wahrscheinlich habe ich alte Landratte mir auch ganz umsonst ins Hemd gemacht. Dave hingegen segelte schon sein ganzes Leben und schien die Sache jederzeit in Griff zu haben. Später hat er nachgelesen, dass wir Windgeschwindigkeiten von 35 bis 40 Knoten hatten. Das entspricht Stärke acht.

Wie sich herausstellte, war Dave nicht nur ein guter Segler, sondern ein wahrer Düsentrieb. Früher hatte er Tauchroboter entwickelt, mit denen man Schiffe und Bohrtürme inspizieren kann. Inzwischen nutzte er seine Kenntnisse, um Unterwasseraufnahmen für den Tourismus zu machen, Livestreaming aus der Bucht inklusive. Zu meinem Glück hatte er einen solchen Tauchroboter an Bord. Keine Eigenentwicklung, aber immerhin mit acht Antriebseinheiten und starken Scheinwerfern ausgestattet. Schnell ein paar Kabel zusammengestöpselt – und schon hatte ich eine Fernsteuerung in der Hand.

Was für ein Unterschied zum Schnorcheln! Durch das Kunstlicht kann die Kamera die satten, bunten Farben der Unterwasserwelt auch in größeren Tiefen einfangen. Steuern lässt sich der Unterwasser-ROV wie eine Drohne – nur dass man nicht weiß, wo sich das Ding gerade befindet. 

Unser Rückweg verlief glücklicherweise deutlich ruhiger. Nur mit der Fock und dem inzwischen abflauenden Wind segelten wir einigermaßen entspannt in die Batemans Bay zurück. So war ich nach der Nullnummer bei den Whitsunday Islands doch noch zu meinem Segeltörn gekommen. Und was für einem!

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