Cookie Dough

Inzwischen war ich in Port Douglas angekommen. Das liegt etwas nördlich von Cairns (spricht sich hier Kääänz) und sollte ursprünglich der Ausgangspunkt meiner Reise sein. Da es aber nur noch ab Brisbane ein Motorrad für mich gab, habe ich den kleinen Umweg von 2.000 Kilometern gemacht, der mich zuletzt nach Charters Towers und von dort über die tropischen Orte Townsville und Mission Beach geführt hatte. 

Keine Ahnung, wie Townsville das schaffte, aber die Stadt wirkte überhaupt nicht wie ein Touristenort. Vielleicht lag es daran, dass die Souvenirshops mit aufblasbaren Gummitieren fehlten. Oder daran, dass die schönen Stellen nicht so überkommerzialisiert waren. Im Wesentlichen hat man die Wahl, ob man mit der Fähre auf die vorgelagerte Insel Magnetic Island fährt oder die Strandpromenade entlangflaniert.

Der Anziehungskraft der Insel habe ich widerstanden und stattdessen meine Flipflops für einen lässigen Spaziergang am Ufer ausgepackt. Festeres Schuhwerk hätte nicht geschadet, denn die Promenade ist eher ein Park mit vielen Gelegenheiten zum Verweilen, Abkühlen oder Spielen. Und wenn man das angrenzende Areal mit alten Militärbarracken mitzählt, hat man über drei Kilometer zu laufen. Die lohnen sich aber, denn der gesamte Uferbereich gleicht eher einem Naherholungsgebiet für die Einwohner der Stadt als einer Attraktion für Besucher.

Etwa auf halbem Weg führt ein langer Steg ins Wasser, an dessen Ende ich ein paar Angler sitzen sah. Könnte ja mal fragen, was die hier so fischen, dachte ich. Außerdem hatte John aus Tasmanien von Barramundis gesprochen, die er unbedingt mit seinem Bruder fangen wollte. Schien hier eine große Sache zu sein.

Es gab zwei Dinge – obwohl es die gar nicht brauchte –, über die man hier sofort mit den Leuten ins Gespräch kam: Das Motorrad und die Kamera. Und kaum hatte ich die Plattform am Ende des Stegs betreten, biss der erste Angler auch schon an. Wie sich herausstellte, war er selbst früher Fotograf und hat seine Bilder vornehmlich an die Tagespresse verkauft. Und ja, sein Name war John. Ich kann es doch auch nicht ändern.

John war aber nicht allein, er hatte seinen Freund dabei, der sich als Cookie vorstellte. Anscheinend hatte er denselben Nachnamen wie der Entdecker Australiens. John und Cookie hauten in einer Tour Geschichten raus, das meiste davon im feinsten Anglerlatein. Von einem Tigerhai war da die Rede, der kürzlich noch einen Hund am Strand gefressen hatte. Oder von einem 1,4 Meter langen Barramundi – offenbar eine Barschart –, den sie nur mit vereinten Kräften an Land ziehen konnten. Ins Wasser sollte ich hier auf keinen Fall gehen. Die Quallen töten mich in 10 Sekunden, wenn die Haie und Krokodile nicht schneller sind. Zwischendurch immer wieder Abschweifungen in Richtung Fotografie oder Angelköder. Meine Versuche, dem Gespräch ein paar substanziellere Informationen abzuringen, waren nicht sehr erfolgreich. Ein Beispiel: Welches denn die beste von den vielen Möglichkeiten sei, das Riff zu besuchen? Cookies Antwort: Mit einem Boot.

Und auf einmal sah ich es. Wie die beiden so dasaßen und das herrlich verworrene Zeug redeten. Dazu der lange Steg. Das waren doch Walter und der „Dude“ Lebowski auf der Bowlingbahn! Hier geht es doch gar nicht ums Angeln, sondern einzig und allein darum, gemeinsam den Tag zu verdaddeln. Nun ergab das alles einen Sinn für mich.

Von den beiden war kein Loskommen. Wir hatten uns schon dreimal verabschiedet, aber immer wieder reichte ein Wort, um gleich wieder eine neue Geschichte in Gang zu setzen. Das Gespräch klebte an uns wie ein zu feuchter Teig, der von einem Finger am nächsten festhaftet.

Nachdem ich es endlich geschafft hatte, setze ich mich etwas weiter entfernt auf eine Anhöhe und beobachtete die diensthabende Frau von den Lifeguards dabei, wie sie ihrerseits die Menschen beobachtete, die nach Ansicht von Walter und dem Dude alle lebensmüde waren. Zwischen den beiden gelb-roten Begrenzungsflaggen planschten tatsächlich ein paar Leute unbekümmert im Meer. Und während ich damit rechnete, gleich Zeuge einer Szene aus Der weiße Hai zu werden, dachte ich über John und Cookie nach, die ihre Lebensphilosophie gefunden hatten. Nicht To be is to do oder To do is to be, sondern Dobedobedo.

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