Bratwurst und Merguez

Mission Beach ist eigentlich gar kein Ort, sondern der Zusammenschluss von ein paar Käffern am Meer nördlich von Tully. Pfiffige Marketingleute haben sich das ausgedacht, um aus dem Gebiet touristisch mehr Kapital zu schlagen. Von Süden kommend berührt der Bruce Highway vorher bei Gardwell fast den Pazifik. Genau dort gibt es einen Rastplatz, der wohl zu den schönsten der Welt gehören dürfte. Er hätte ebenfalls einen coolen Namen verdient, ist den cleveren Vermarktern aber scheinbar entgangen.

Mir zum Glück nicht, denn ich brauchte gerade eine Pause, um endlich zu frühstücken. Für die hausgemachten Pasteten, die es an einem kleinen Stand gab, war es mir noch zu früh. Aber sie schienen vorzüglich zu sein, denn die Einheimischen hielten an Jesses Bude im Fünfminutentakt. Mit Jesse habe ich mich natürlich ein bisschen unterhalten. Er fackelte sofort das Horrorfeuerwerk von Haien und Krokodilen hinter ihm sowie Spinnen, Schlangen und anderem giftigen Getier vor ihm ab. Jesse ist scheinbar kein Marketingexperte aus der Touristenbranche und auch ansonsten nicht die hellste Kerze auf der Pastete.

Als ein älterer Mann offenbar indigener Abstammung im Rollstuhl an uns vorbeifuhr, beklagte sich Jesse, dass es diesem Mann besser ginge als ihm. Denn er sei schwarz und behindert und habe dadurch eine Stimme, die man anhöre. Ihn höre niemand an. Auf meine Frage, wie man denn ernsthaft auf einen ärmlich aussehenden, behinderten Menschen neidisch seien kann, wenn man selbst gesund ist und ein gut laufendes Geschäft am geilsten Standort von Queensland betreibt, hatte Jesse keine mir einleuchtende Antwort. Was soll’s, es können ja nicht alle Australier dufte Typen sein. Jesse, für Dich habe ich kein Foto.

In Mission Beach angekommen erklärte mir Marc, der Manager der Unterkunft, die wenigen Sehenswürdigkeiten des Ortes: Es gibt den Strand, Kurven und Norbert. Echt jetzt? Kurven? Also musste ich nach dem Abladen unbedingt noch eine kleine Spritztour machen, die mich auf einer tatsächlich kurvenreichen Strecke am Pazifikufer entlangführte. Nicht gerade die Alpen, aber nach den unendlichen Geradeausstrecken war mir alles willkommen, das weniger als 180 Grad hatte. In einem wunderhübschen Café gab’s dann noch ein Frühstück, bevor ich mich auf dem Weg zu Norbert machte.

Marc hatte Norbert als einen etwas durchgeknallten Deutschen mit Rastalocken beschrieben, der neben der Touristeninformation einen Imbiss betreibt und sicher Lust auf ein Gespräch hätte. Als ich dort ankam, wollte gerade jemand abschließen, der offenbar nicht Norbert war. Deutscher war er auch nicht, so viel war nach den ersten Worten klar. Dem Akzent nach wohl eher Franzose. Ein kurzer Blick auf die Speisekarte bestätigte die Vermutung: Dort stand neben der Bratwurst auch die Merguez. Norbert und Gerard betrieben diesen Imbiss also gemeinsam, und heute war halt Gerard dran.

Er kam 1970 mit Anfang zwanzig nach Australien, als die Regierung die Migration europäischer Arbeitskräfte noch unterstützt und gefördert hat. Alles sei so easy gewesen, sagte Gerard. Wohnung finden, Jobs finden – überhaupt kein Problem. Man habe gutes Geld verdienen können und niemand scherte sich darum, woher man kam. Ganz anders als in Frankreich, wo die Herkunft bedeutsam gewesen sei und es klare gesellschaftliche Hierarchien gab. Für immer hierzubleiben, sei deshalb auch eine bewusste Entscheidung gewesen. Er sei nicht einfach hängengeblieben.

Es war ein sehr relaxtes und interessantes Gespräch mit Gerard, und so war ich nicht enttäuscht, Norbert nicht getroffen zu haben. Obwohl Gerard der Person Norberts noch eine weitere exotische Note hinzufügte, indem er berichtete, dass dieser irgendwo im Wald zusammen mit Kasuaren hause. Leider ist mir bisher noch keiner dieser mannsgroßen, bunten Laufvögel begegnet, die aussehen wie aus Jurassic Park. Dabei stehen überall in und um Mission Beach herum Hinweisschilder, die vor Kasuaren auf der Straße warnen. Gerard sagte, dass es wesentlich mehr Schilder als Kasuare gibt und man schon großes Glück haben muss, um einen zu entdecken. Vielleicht würde es mir noch gelingen. Komische Vögel zog ich eigentlich an.

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