Highway ins Paradies

Um mal etwas auszuspannen, kam mir Bundaberg gerade recht. In einem kleinen Nest am Strand, etwas außerhalb der Stadt, hatte ich mich für zwei Nächte eingebucht, um mich selbst, mein Zeug und meine Reise zu organisieren. In dem hübschen kleinen Appartement gab es sogar eine Waschmaschine, die nach gut drei Wochen auf der Straße den Job „Einmal alles, aber gründlich“ erhielt.

Natürlich ist Bundaberg in erster Linie für seine Destillerie bekannt, die den gleichnamigen Rum herstellt. Während meine Klamotten in der Sonne trockneten, konnte ich mir also in Ruhe ansehen, was aus einem großen Teil des Zuckerrohrs wird, der auf den Feldern vor der Stadt steht. Bevor man allerdings den Produktionsbereich der Destillerie betreten darf, muss man alles abgeben, was eine Batterie enthalten könnte – insbesondere also auch Kameras und Handys. Sogar meine Armbanduhr musste ich abnehmen, obwohl sie rein mechanisch läuft. Grund für diese Paranoia ist angeblich die Angst vor einem Zündfunken, der die ganze Herrlichkeit einäschern könnte. Immerhin produziere man ja Alkohol. 

Vom Innenbereich der Anlage gibt es also keine Fotos. Viel wäre darauf auch nicht zu sehen, denn erstens ist der Prozess sehr simpel, und zweitens hat uns der betont lustige Guide – Typ Aalverkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt – nichts weiter als große Gefäße und Blubberblasen hinter einem Schauglas präsentiert. Immerhin durfte aber die ganze Gruppe von der Melasse probieren, die in einem riesigen Bassin bei unerträglicher Hitze auf ihre Weiterverarbeitung wartete. Der malzig-süße Geschmack der Melasse ist tatsächlich eine Verstärkung dessen, was ich roch, als ich an den Zuckerrohrfeldern vorbeifuhr. Und während ich so an meinem Probierspatel lutschte, fragte ich mich, warum der Elektrozaun, der um die gesamte Anlage läuft, weniger gefährlich ist als meine Armbanduhr.

Neben einem sehr hübschen botanischen Garten gibt es in Bundaberg noch zwei weitere Sehenswürdigkeiten: die Mystery Craters und das Mon Repos Turtle Centre, das mir eine Freundin empfohlen hatte. Leider war es für eine der geführten Schildkrötentouren bei Nacht noch zu früh im Jahr, sie starten erst im November. Für die Ausstellung war es wiederum zu spät, denn die schloss schon um 14 Uhr. Blieben also nur die Krater.

Um es kurz zu machen: Es lohnt sich nicht. Viel mehr als ein paar große Löcher, die man vor vielen Jahren auf freiem Feld gefunden hat, gibt es nicht zu sehen. Mysteriös sind die Krater nur deshalb, weil Wissenschaftler bisher nicht begründen können, warum es die Dinger gibt. Fußstapfen von Dinosauriern sind es wohl nicht, das hätte man wenigsten gut vermarkten können. Schade. Aber immerhin hatte ich mit dem jungen Verwalter ein herrliches Cookie-Dough-Gespräch über Motorräder.

Von Bundaberg nach Hervey Bay ist es nur ein Katzensprung. So konnte ich morgens noch ein paar abgewinkelte Ventiladapter besorgen, um das ewige Gefummel an der Tankstelle endlich zu beenden. Die australischen Geräte für den Reifenfülldruck haben derart dicke Ventilköpfe, dass man sie kaum am Hinterrad meines Motorrads anbringen kann.

Was Port Douglas für das Riff ist, ist Hervey Bay für Fraser Island: ein Sprungbrett. Korrekterweise muss man nun K’gari schreiben, denn wie bei vielen anderen Orten, die für die Ureinwohner kulturell bedeutsam sind, hat sich Australien inzwischen darauf besonnen, deren ursprüngliche Bezeichnung für die Insel zu verwenden. Sie ist auch sehr passend: K’gari heißt Paradies.

Von meiner wunderschönen Unterkunft im Stadtteil Urangan war der Yachthafen, von wo aus die Touren nach K’gari starten, fußläufig zu erreichen. Exzellente Voraussetzungen also, um am nächsten Morgen rechtzeitig um 7 Uhr am Treffpunkt zu sein. Allerdings nur, wenn ich mich nicht wieder mit meinen Gastgebern Shawna und Sam verquatschte. Die beiden waren so freundlich und sympathisch, dass ich gerne noch länger geblieben wäre. Zum Abschied hat mir Sam Bananen aus dem eigenen Garten auf den Motorradsitz gelegt. Bezaubernd!

Urangan ist für noch eine Sehenswürdigkeit bekannt: Hier erstreckt sich ein historischer Pier 868 Meter weit in den Pazifik. Sehr sehenswert.

Um ehrlich zu sein, sind diese geführten Touren eigentlich alle nicht mein Ding. K’gari lässt einem aber kaum eine Wahl, denn die Insel kann man nur mit wirklich geländefähigen Fahrzeugen erkunden. Selbst ein Auto mit Allradantrieb zu mieten und dann überzusetzen, ist also die einzige Alternative zu der Bustour, die ich gebucht hatte. Als ich mein Motorrad in Brisbane abholte, erzählte mir Joe, dass es ein paar Unbelehrbare nicht lassen konnten und ihre geliehene GS trotz des Verbots mit nach K’gari nahmen. Das Ergebnis war eine Kupplung, die sich völlig in ihre Bestandteile aufgelöst hatte. Nachdem ich das Tiefsandgelände mit seinen extrem steilen Passagen nun gesehen hatte, glaubte ich das gerne. Ein Motorrad, das unbeladen 270 Kilo wiegt, hat da nichts zu suchen.

Aber ein Bus? Kann der das schaffen? Diese Busse schon. Gebaut wurden sie eigentlich für den Betrieb in Tiefschnee, der ähnliche Anforderungen mit sich bringt wie Sand. Entsprechend sind es also keine australischen Fabrikate, die Busse kommen alle von MAN. Und was sie zu leisten imstande sind – das fahrerische Können vorausgesetzt –, das muss man erlebt haben. Vor der Fahrt sollte man allerdings besser noch mal den Sitz seiner Zahnfüllungen kontrollieren, denn die Schlaglöcher, Furchen und Geländesprünge katapultieren einen förmlich aus dem Sitz. Der Anschnallgurt ist in diesem Fall keine spießige Vorschrift, man braucht ihn wirklich.

Anfänglich war die Geschwindigkeit, mit der unser Fahrer durch den subtropischen Regenwald raste, mindestens respekteinflößend für unsere Reisegruppe. Entweder so – oder wir müssten schieben, lautete sein Kommentar dazu. Wenn er zu langsam fährt, bleibt der Bus halt stecken. Überhaupt hatte unser Fahrer offenbar richtig Spaß an seinem Job. Nicht nur an der wilden Sause durch Sand und Geäst. Er erzählte auch so viel und unterhaltsam, dass mir während der Fahrt nie langweilig wurde. Lustige Geschichte von Dingos, die einer Frau beim Sonnenbaden in den Hintern gebissen haben, dreieinhalb Meter lange Echsen, die Rucksäcke klauen – solche Sachen. 

Fast 10 Stunden dauert die Tour, und das meiste davon verbringt man im Bus und auf der Fähre. Damit das Ganze überhaupt funktioniert, ist die Zeit an den Highlights der Insel jeweils knapp bemessen: 45 Minuten, um im Lake McKenzie zu schwimmen, 10 Minuten für Fotos am Wrack der Maheno, noch mal 10 Minuten für die farbigen Sanddünen. Am Eli Creek waren wir am längsten, vermutlich weil unser Guide diese Stelle selbst am schönsten findet. Genau diese engen Zeitpläne sind es, die ich an geführten Touren nicht mag. Nur: Anders geht es halt nicht.

Mehr als 120 Kilometer ist der Strand auf K’gari lang – und er ist ein offizieller Highway. Entsprechend viel ist da los. In beide Richtungen brettern aufgemotzte Allradfahrzeuge über die Piste. Und nicht nur das. Auf dem Rückweg hielten wir am Strand plötzlich an und ein Pilot stieg ein. Aus dem Fenster sah ich seine Maschine, die neben dem Bus bereits sehr klein wirkte. Für umgerechnet 60 Euro bot er einen Flug über die Insel an, anschließend könnten wir wieder in den Bus steigen.

Keine Ahnung, warum mein Arm sich auf einmal hob. Auf Fliegen stehe ich eigentlich nicht sonderlich, schon gar nicht in so einer Spielzeugmaschine. Außer mir waren auch nur zwei weitere Leute so wahnsinnig. Erstaunlicherweise haben wir aber überlebt – und es war großartig! Von oben sieht die Insel fantastisch aus. Und wann hat man schon mal die Möglichkeit, mit einem Flugzeug auf dem Strand zu starten und zu landen?

Nach einem Highlight wie K’gari sollte man die Eindrücke eigentlich erst mal sacken lassen. Ging aber leider nicht, denn Hervey Bay ist noch für eine weitere Sache bekannt: Walbeobachtungstouren. Allerdings war die Saison fast gelaufen, und ich konnte mich gerade noch für eine der letzten Ausfahrten anmelden. Sie startete am nächsten Tag.  

Zu Spitzenzeiten seien mehrere Hundert Wale gleichzeitig in der Bucht, ließ die sehr kompetent wirkende Tourbegleitung auf dem Schnellboot wissen. Dass wir jetzt noch welche erblicken, könne man allerdings nicht garantieren. Nach ein bisschen Sucherei hatten wir aber Glück. Tatsächlich fanden wir ein paar weibliche Buckelwale, die mit ihren Kälbern noch nicht abgezogen waren. Sie nutzen die schützende Bucht vor K’gari, um ihre Kleinen so groß zu ziehen, dass sie den Rückweg in die Antarktis schaffen. Die meiste Zeit lagen die Mutter- und Jungtiere allerdings faul im Wasser herum, um sich vom Säugen zu erholen. Anscheinend ist das Schwerstarbeit für die Walkühe, denn sie haben zu diesem Zeitpunkt seit Monaten nichts gefressen. Glücklicherweise hatten zwei dennoch Lust, ihrem Nachwuchs ein paar coole Sprünge beizubringen.

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Die im Dunkeln sieht man nicht