Go Bokke!

Reisen mit dem Motorrad ist eigentlich nie richtig komfortabel. Entweder ist es zu heiß, zu kalt oder zu nass. Man rödelt den ganzen Tag mit dem Gepäck rum, für das nicht genug Stauraum vorhanden ist, und muss eine elendig schwere Fuhre herumwuchten. Und dort, wo andere Urlauber gemütlich mit kurzer Hose und Flipflops flanieren, läuft der enthusiastische Motorradfahrer unter einer Gore-Tex-Montur schwitzend mit quietschenden Endurostiefeln auf.

Warum ich mir das dann antue? Einerseits ist es ein befreiendes Gefühl zu wissen: Alles, was ich zum Leben brauche, passt in drei Taschen auf mein Motorrad. Damit könnte ich genauso gut um die Welt reisen. Außerdem macht mir das Motorradfahren einfach irrsinnig viel Spaß.

Deshalb habe ich von Hervey Bay auch nicht den direkten Weg zur Sunshine Coast genommen, sondern den viel schöneren über das Mary River Valley. Kurvenreiche Stecken auf bestem Asphalt vor malerischer Kulisse – Bikerherz, was willst Du mehr? Zumal auf der Strecke einige Orte liegen, die zum Erkunden und Verweilen einladen.

Zum Beispiel das pittoreske Montville. Vom Café in den Mayfield Galleries hat man einen spektakulären Blick über das gesamte Tal bis zur Sunshine Coast. Genau das Richtige für ein spätes Frühstück, in das der Preis für die Aussicht auch schon eingearbeitet war.

Etwas weiter südlich liegt der kleine Ort Maleny, dessen Hippie-Vergangenheit man auch ohne Reiseführer erkennt. Als Vinylliebhaber musste ich selbstverständlich sofort den Plattenladen mit seiner lustigen Eingangsdekoration unter die Lupe nehmen. Kurzer Blick in die Kisten: Jo, feine Ware! Also besser nicht genauer nachsehen, das ist nicht gut für die Reisekasse. Transportieren konnte ich die Platten eh nicht gut, siehe oben.

Hinter dem Tresen des bis an die Decke mit Retro-Krimskrams vollgestopften Ladens stand Linda, die früher mal in Holland lebte. Ihre pfiffig blitzenden Augen ließen erkennen, dass sie etwas anderes im Sinn hatte als ein Verkaufsgespräch: Sie wollte meine Vertrauenswürdigkeit abchecken. Der Laden hatte nämlich keine Toilette, dafür musste die Gute über die Straße. Für die Länge eines Boxenstopps war ich also auf einmal Manager eines Hippie-Plattenladens in Australien. Keine schlechte Entwicklung, und der Tag war ja noch jung.

Zum Abschied hatte Linda noch einen guten Tipp, wie ich über eine Nebenstraße zu einem Aussichtspunkt gelange, der einen tollen Blick auf die sogenannten Glass House Mountains ermöglicht. Leider war es an dem Tag ein bisschen zu diesig, sodass die vulkanischen Erhebungen im Tal eher aussahen wie ein Versteckspiel der sieben Zwerge.

Bruce und seine Familie hatte ich zum ersten Mal etwas nördlich von Roma getroffen, an einer Art Freiluftausstellung für den Kohlebergbau der Region. Als Kind des Ruhrgebiets konnte ich über die paar herumliegenden Werkzeuge, eine Gedenktafel und eine Minihalde nur mitleidig lächeln. Und auch die Familie hatte offenbar etwas mehr erwartet. Später trafen wir uns auf dem Campingplatz vom Carnarvon Gorge National Park wieder, wo wir uns angenehm unterhalten und eine Flasche Wein getrunken haben. Als wir über meine Route sprachen, bot mir Bruce sofort an, bei ihnen zu übernachten, wenn ich an der Sunshine Coast bin. Er gehört zu den Leuten, bei denen man weiß, dass es so gemeint ist. Bruce ist kein Schnacker.

Jetzt war ich also auf dem Weg nach Caloundra und freute mich darauf, Anne, Bruce und ihre Kinder wiederzusehen. Wie günstig, dass auf der Strecke ein Weingut lag, wo ich zwei leckere Flaschen Rosé erstehen konnte. Wie immer in Australien waren sie so stark vorgekühlt, dass der Wein nach zwei Stunden Fahrt in der Sonne sicher eine angenehme Trinktemperatur haben würde.

Die Familie war ganz schön rumgekommen. Bruce wurde in Simbabwe geboren, aufgewachsen sind Anne und er in Südafrika. Sie haben in Schottland gelebt, in Irland und zwei Jahre auch in Frankfurt. Anne spricht aus dieser Zeit immer noch etwas Deutsch. Wer weiß, vielleicht liest sie gerade diese Zeilen.

Es war ein schöner Abend mit Käse und Kräckern am Strand, spannenden Gesprächen über Politik sowie die gerade gelaufene Volksabstimmung plus Lagerfeuer im Garten, das Senan für uns entfacht hatte. Ihn und seine Schwester Bella hatte ich schon auf dem Campingplatz kennengelernt. Ihren Bruder Joshua kannte ich noch nicht und war beeindruckt von seiner Statur. Er macht Mixed Martial Arts und wirft sehr viel Schatten.

Nicht ganz so viel allerdings wie die Mitglieder der Springboks. So lautet die Bezeichnung für die südafrikanische Rugby-Nationalmannschaft, die am nächsten Morgen ein Weltmeisterschaftsspiel gegen England hatte. Ich habe verstanden, dass das in etwa vergleichbar mit einer Paarung Deutschland gegen Holland bei einer Fußball-WM ist. Mit anderen Worten: Das willst Du nicht verlieren.

Bruce jedenfalls ganz bestimmt nicht. Und so kam es, dass wir am nächsten Morgen zusammen ein Rugby-Spiel schauten, von dessen Regeln ich keinen Schimmer hatte. Aber ich hatte einen guten Lehrer an meiner Seite, denn Bruce war früher selbst Rugby-Trainer. So weiß ich jetzt: Vorwärts passen ist verboten, Nase brechen aber nicht. Leider lagen die Briten mittlerweile deutlich vorne, also sind wir doch lieber zum Frühstücken in ein französisches Café gegangen. Wegen der Stimmung und so. Schließlich wollte ich am Ende noch ein Foto von der Familie machen – und das fand Bruce ebenso toll wie eine Niederlage gegen England.

Mit einem „Stell Dir vor, Ihr habt gegen England gewonnen!“ konnte ich ihm doch noch den Hauch eines Lächelns entlocken. Später schrieb er mir dann, dass die Springboks das Spiel tatsächlich in letzter Minute gedreht hätten und ich nun in Südafrika nie mehr für einen Drink zahlen müsse. Ich solle nur „Go Bokke!“ rufen. Wer weiß, vielleicht schauen die beiden mal Bayern gegen Dortmund mit mir auf meinem Sofa. Würde mich freuen.

Zurück
Zurück

Surf ‘n‘ Turf

Weiter
Weiter

Highway ins Paradies