Oben ohne

Nach drei Tagen Abhängen (und einmal kräftig Durchschütteln) in der Bucht, waren die Snowy Mountains das richtige Kontrastprogramm. Gut vier Stunden Fahrzeit sind es über die schönere Strecke von der Baytemans Bay bis nach Jindabyne, die erst an der Küste entlangführt und dann ab Bega zunächst über ein flacheres Stück langsam ansteigt.

In den Snowy Mountains liegt auch der höchste Punkt Australiens, der Mount Kosciuszko. Nach europäischen Maßstäben ist er nicht gerade ein Riese, aber die 2228 Meter reichen, um im Frühjahr noch mit ein bisschen Schnee auf dem Gipfel angeben zu können. Leider habe ich einen sehr tristen Tag mit schlechtem Wetter erwischt, aber die Fahrt zum Charlotte Pass lohnte sich trotzdem.

In dieser Höhe wächst nur noch eine Baumart, die Snow Gum Trees. Mit ihrem schnörkeligen Wuchs sehen sie nicht nur besonders aus, sie riechen auch angenehm fruchtig. Vom Charlotte Pass zweigen einige – mitunter sehr lange – Wanderwege ab, die in voller Motorradmontur aber nicht dauerhaft Spaß machen.

Richtig viel Bock machte dagegen die anschließende Fahrt auf dem Alpine Highway durch den Mount Kosciuszko National Park. Wer nur durchfahren möchte, muss nichts bezahlen, für die Achterbahnfahrt über gute Straßen mitten durch schönste Natur sind knapp fünf Euro aber auch nicht zu viel.

Neben den Schäden vergangener Buchfeuer sind auch die Wasserkraftwerke nicht zu übersehen, von denen es in den Snowy Mountains und den angrenzenden Parks eine ganze Reihe gibt. Zum Teil stammen die riesigen Bauwerke noch aus den 60er-Jahren. Manche Orte mussten für die Stromgewinnung weichen, zum Beispiel Old Tallangatta. Nach längeren Trockenperioden ragen aus dem Stausee nicht nur die Baumkronen des überfluteten Ortes heraus.

Mein nächstes Ziel war Bright, eine hübsche Kleinstadt in den Ausläufern der Alpen. Mit der Idylle war es an diesem Wochenende allerdings nicht weit her, denn das jährliche Oldtimerfestival stand an. Irgendwie sehr passend, denn es war mein Geburtstag. Für Autofans war das Event ein wahrer Augenschmaus. Stolz zeigten die Besitzer ihre aufwendig restaurierten, spektakulär umgebauten und liebevoll gepflegte Fahrzeuge, während sich Besucher wie Bewohner die unendliche Parade der glänzenden Karosserien und offengelegten Motoren aus ihren Campingstühlen ansahen.

Um dem permanenten Benzingeruch der Stadt zu entkommen, zog es mich bald weiter auf den Mount Buffalo. Der ist zwar nicht so berühmt wie sein Bruder mit dem polnischen Namen, kann aber mit spektakulären Aussichten aufwarten. Auf halbem Weg zum Gipfel steht ein Chalet, das angeblich das größte Holzhaus Australiens ist und das erste Ski-Hotel in den Alpen von Victoria war. Dort traf ich lustigerweise ein schweizerisches Ehepaar wieder, mit dem ich in Hervey Bay in derselben Unterkunft übernachtet hatte. Ganz hoch zum sogenannten Horn führt nur eine Schotterstraße mit ein paar engen Spitzkehren – für ein bisschen Spaß war also ebenfalls gesorgt. 

Mount Buffalo war ein Tipp meiner Gastgeber Michelle und Conrad. Wie schon gesagt, buche ich generell lieber Unterkünfte in Privathaushalten als Hotelzimmer – man ist so einfach näher dran an Land und Leuten. Und die beiden waren ein echter Glücksfall! Umgeben von Wein, Blumen, Hühnern, Kakadus und Kookaburras wohnt das Paar außerhalb von Mount Beauty mitten in der Natur. Sie sind in meinem Alter, und wir haben uns sofort super verstanden. Morgens hatte Michelle mir einen Cupcake gebacken und mit einer Geburtstagskerze versehen – und die wollte ich nun auf dem Gipfel von Mount Beauty anzünden. Dummerweise hatte weder ich ein Feuerzeug dabei noch einer der wenigen Wanderer, die auf dem Gipfel unterwegs waren. Nur ein Pastor gab nicht auf. Dass eine Kerze auf einem Foto brennen muss, leuchtete diesem Mann sofort ein. Deshalb hat er seinen riesigen Truck so lange durchsucht, bis er darin einen alten Campingkocher zutage förderte. Und siehe da – es ward Licht! Allerdings nur kurz, denn der böse Wind war einfach zu stark.

Abends habe ich mit Conrad noch ein paar Bierchen gezischt, als er auf einmal ein altes Hohner-Akkordeon hervorholte und zu spielen begann. Der gebürtige Schweizer ist Mitglied einer Irish-Folk-Band. Die Krönung des Abends war eine irre Zugabe auf einem umgebauten Waschbrett – zum Wegschreien! Am nächsten Morgen drückten mir Michelle und Conrad die Hausschlüssel in die Hand und sagten, ich solle einfach abschließen, wenn ich weiterreise. Sie führen jetzt in den Urlaub. Haste Töne?

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In der menschlichen Natur

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Ruhe vor dem Sturm