Schildbürger und ihre Schwestern

Aus Deutschland ist man es gewohnt, dass alles gut ausgeschildert ist. Gegen die Australier sind wir aber die reinsten Stümper. Hier gibt es Schilder, die auf jede Art von Fahrbahnbeschaffenheit hinweisen, außerdem solche, die vor Müdigkeit am Steuer warnen, weitere, die diese mit einem Quiz zu bekämpfen versuchen, und sogar Schilder, die ankündigen, dass gleich ein Schild kommt. Kein Witz.

Dankenswerterweise werden auch die Aussichtspunkte frühzeitig angekündigt, was einem das lästige Wenden erspart, wenn man mal wieder an einer schönen Stelle vorbeigezischt ist. Und auf dem Thunderbolts Way, der mich in das Weinanbaugebiet Hunter Valley führen sollte, gab es ein paar davon. Zum Beispiel den Pioneer Lookout, nördlich von Gloucester. Dort machte ich gerade eine kleine Pause, als zwei wunderschöne Gespanne auf den Parkplatz fuhren: Ein Buick von 1947 und ein Ford von 1943, wie mir ihre Besitzer stolz erzählten. Beide Autos zogen winzige Wohnwagen aus derselben Epoche.

Wir hatten einen kurzen Plausch, der über das übliche Woher und Wohin allerdings nicht hinauskam, denn die beiden Oldtimerfahrer suchten ein Leck. Angeblich verlor der Buick Öl. Gefunden haben sie die Ursache nicht, und so machten sie sich ein paar Minuten später wieder auf den Weg. Eine Viertelstunde darauf fuhr ich ebenfalls weiter, in dieselbe Richtung.

Kurz nachdem ich ein paar Schilder passiert hatte, die vor einem extremen Gefälle und engen Kurven warnten, stand plötzlich einen Mann auf der Straße, der mich und die nachfolgenden Fahrzeuge wild gestikulierend zum Bremsen aufforderte. Als ich langsam um die Linkskurve rollte, sah ich den Grund: Da hing der alte Buick mitsamt seinem Wohnwagen rechts in der Felswand. Um die Unfallstelle herum hatte sich bereits eine Auto- und Menschentraube versammelt, und eifrige Helfer zogen gerade den verletzten Fahrer aus dem Buick.

Eine Frau bat mich, ins Tal zu fahren und den Notruf zu verständigen, denn dort oben gab es kein Mobilfunknetz. Kurz überlegte ich, ob ich SOS über den Satelliten-Messenger auslösen sollte, hielt das aber für die langsamere Lösung. Gleichzeitig versuchte ein Autofahrer, Hilfe über sein Funkgerät anzufordern.

Auf dem Weg ins Tal kamen mir Polizei und Rettungswagen dann bereits entgegen. Der Funker hatte anscheinend Erfolg gehabt. Nur um sicherzugehen, dass sie nicht zufällig doch zu einem anderen Einsatzort unterwegs waren, wählte ich dennoch den Notruf, sobald ich Handyempfang hatte. Das folgende Gespräch war – sagen wir mal anstrengend. Ich bin sicher, dass die Notrufmitarbeiterin hervorragend geschult war und genau wusste, was sie zu tun hat. Aber warum sie mich immer weiter nach Details zum Unfallhergang fragte, obwohl ich ihr bereits mitgeteilt hatte, dass ich darüber nichts wusste, erschloss sich mir bis zum Ende nicht. Nur weil die Fragen auf einer Liste standen? Direkt anschließend rief mich die Polizei an – und fragte mich dasselbe noch einmal. Etwas genervt fuhr ich weiter nach Gloucester und hielt direkt am ersten Café. Ich brauchte jetzt dringend einen Long Black.

Zum Runterkommen ist auch das Hunter Valley genau richtig. Hier kann man spazieren gehen, Weinproben machen – und sonst nicht viel. Statt durch die Weinberge zu laufen, entschloss ich mich zu einer Erkundungstour auf zwei Rädern. Auf der Rückfahrt zur Unterkunft konnte ich die inzwischen ausgepackten Seitenkoffer ja mit Wein, Wurst und Käse füllen. Mein Zimmer hatte eine kleine Veranda direkt am Weinberg – da kristallisierte sich ein Spitzenplan heraus. Mit den schönen Weinanbaugebieten an der Mosel oder im Rheingau kann das Hunter Valley zwar nicht mithalten, trotzdem lohnt sich der Besuch. Neben Weinanbau gibt es hier auch Destillerien für Gin oder Whiskey. Außerdem: Wann sieht man bei uns schon mal Kängurus zwischen den Reben rumhoppeln?

Um nach Katoomba zu kommen, dem Ausgangspunkt für alle Touren in den Blue Mountains, fährt man vom Hunter Valley zunächst über die Putty Road und später über eine Landstraße mit der eigentümlichen Bezeichnung Bells Line of Road. Putty Road ist sowas wie die private Rennstrecke aller in Sydney ansässigen Biker, entsprechend präsent sind hier die Rennleitung und ihre Messgeräte. Also Obacht, denn gegen die australischen Bußgelder sind die völlig überzogenen Hotelpreise in Katoomba geradezu ein Schnäppchen.

Auf die Blue Mountains hatte ich mich besonders gefreut. Schon der erste Panoramablick vom Govetts Leap Lookout war atemberaubend.

Voller Vorfreude checkte ich also in das Metropole Guest House ein, das mit 30er-Jahre-Charme wirbt, damit aber wohl den Zeitpunkt der letzten Renovierung meint. Von außen schreit der Kasten nach der Abrissbirne, von innen ist er aber tatsächlich sehr interessant und stellenweise sogar hübsch. Als Basisstation für meine Touren auf jeden Fall ausreichend.

Vier Orte standen auf meiner Liste. Und das Gute: Ich konnte sie alle mit dem Bus erreichen. Dafür muss man keine App installieren, sich nirgendwo anmelden und keine Details für ein Zahlungsmittel eingeben. Kontaktloses Bezahlen funktioniert in Australien nämlich überall, auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln von New South Wales. Einfach einsteigen, Kreditkarte oder Handy an die bunte Fläche halten – fertig. Funktioniert in Bussen, Bahnen, Fähren und sieht überall gleich aus. Kapiert, Deutschland? So geht das.

Warum die Three Sisters so heißen, erschließt sich eigentlich auch ohne Erklärung. Deshalb nur kurz: Der Legende nach soll es sich bei den rund 900 Meter hohen Felssäulen um drei Schwestern des Katoomba-Stammes handeln, die zu Stein wurden, weil sie sich in Männer eines anderen Stammes verliebt hatten. Zum Glück, denn sonst hätte der nach dem Aborigine-Volk benannte Ort heute eine Attraktion weniger.

Scenic World ist eine Mischung aus Naturerlebnis und Freizeitpark. Mit einer Seilbahn kann man die Schlucht überqueren, mit einer anderen in den Park hinab- und über die angeblich steilste Schienenstrecke der Welt wieder herauffahren – oder umgekehrt. Im Park selbst gab es auch eine umfangreiche Dinosaurierinstallation, die ich zunächst etwas albern fand. Zugegebenermaßen war sie aber sehr gut gemacht und ganz sicher ein Argument, mit dem Familien ihre Kinder für einen Tag in der Natur begeistern können. Wer keine Lust auf das Jurassic-Park-Ambiente hat, geht einfach durch ein Tor – und ist sofort mitten in der Wildnis. Von hier erstrecken sich kilometerlange Wanderwege quer durch die traumschönen Blue Mountains.

Auf dem Weg zu den Wentworth Falls hält der Bus auch in Leura, einem beschaulichen, kleinen Örtchen mit einigen Cafés und Geschäften. Mehr als eine Stunde ist nicht nötig, um sich alles anzusehen, so konnte ich mit dem nächsten Bus gleich weiter zu den Wentworth Falls fahren. Von der Bushaltestelle gelangt man zu einer Aussichtsplattform über den Wasserfällen, die einen fantastischen Blick in die Schlucht bietet. Nur die Wasserfälle selbst sieht man von dort nicht vollständig. Dazu muss man um die Schlucht herum zu einem anderen Aussichtspunkt, der viel tiefer liegt – und wegen Bauarbeiten leider nicht zugänglich war. Aber natürlich gab es ein Schild, das auf diesen Umstand hinwies.

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